Die Hexenwunde: Warum es sich für viele Frauen nicht sicher anfühlt zu zeigen, wer sie wirklich sind
Wenn du dich manchmal dabei ertappst, wie du dich zurückhältst – obwohl du genau weißt, dass du bereit wärst, gesehen zu werden, deine Wahrheit zu sprechen und deinen Weg zu gehen – dann spürst du vielleicht die Hexenwunde in dir.
Sie ist kein Begriff aus der Esoterik, sondern eine kulturelle Erinnerung. Ein Echo aus einer Zeit, in der weibliches Wissen, Intuition und Selbstbestimmung nicht nur unerwünscht, sondern gefährlich waren. Diese kollektive Erfahrung prägt uns bis heute – zwar subtil, aber mit Folgen.
Ein Blick in die Vergangenheit
Zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert wurden in Europa – besonders in Deutschland, der Schweiz und Frankreich – rund 60.000 Menschen, überwiegend Frauen, als sogenannte “Hexen” verfolgt, gefoltert und hingerichtet. Die Opfer waren meist Frauen, die in irgendeiner Form von der gesellschaftlichen Norm abwichen: Heilerinnen, Hebammen, Kräuterkundige, Witwen, Weise, Unabhängige oder Spirituelle. Selbst Frauen, die vergewaltigt wurden und darüber sprachen, oder Mädchen, die frühreif waren, konnten zur Bedrohung für die Ordnung erklärt werden.
Diese Frauen standen in Verbindung mit dem Körper, mit der Natur, mit ihrer Intuition – mit Kräften also, die im patriarchalen Weltbild jener Zeit als unkontrollierbar und gefährlich galten. Mit Kräften, die das Weibliche ausmachen. Die uns ausmachen. Die Hexenverfolgungen waren damit nicht nur ein Angriff auf einzelne Menschen, sondern auf das Weibliche selbst: auf Intuition, Schöpfungskraft, Wissen, Körperlichkeit und Verbindung zur Natur.
Ein besonders prägendes Werk jener Zeit war der Malleus Maleficarum („Hexenhammer“) von Heinrich Kramer, veröffentlicht 1487. Darin begründete er die Unterdrückung und Vernichtung von Frauen mit der Behauptung, sie seien „von Natur aus schwächer und verführbarer durch den Teufel“. In Zeiten strenger Religiosität können wir uns heutzutage nicht einmal annähernd vorstellen, welchen Schlag der Hexenhammer auslöste. Denn obwohl das Werk nie offiziell kirchlich anerkannt wurde, floss es in die Rechtsprechung ein und wurde zu einem Instrument systematischer Gewalt. Die Hexenverfolgungen waren also keine zufällige Aneinanderreihung grausamer taten gegenüber Frauen – sie waren ein Machtinstrument, ein gezielter Versuch, das Weibliche zu schwächen und zum Schweigen zu bringen.
Mit der Vernichtung dieser Frauen wurde ein Teil kollektiven Wissens ausgelöscht – Wissen über Heilkunst, zyklische Prozesse, Geburtsbegleitung, Pflanzenmedizin, Spiritualität, Körperweisheit. Doch mit diesem Wissen ging auch noch etwas Tieferes verloren: Vertrauen. Frauen verloren das Vertrauen in sich selbst, in andere Frauen und in ihre eigene innere Stimme.
Kontrolle wurde somit zur Überlebensstrategie. Frauen lernten, sich selbst und ihre Umgebung zu kontrollieren, um sicher zu sein. Sie lernten, ihre Gefühle zu kontrollieren. Ihr Auftreten. Ihr gesamtes Sein. Selbstkontrolle als Versuch, das eigene Überleben zu sichern.
Diese Erinnerung wirkt bis heute in uns nach.
Wie sich Angst vererbt
Die moderne Psychologie spricht von transgenerationaler Traumavererbung, also der Weitergabe von Ängsten, Mustern und Reaktionsweisen über Generationen hinweg. Selbst wenn die ursprüngliche Bedrohung längst vorbei ist, trägt das Nervensystem sie weiter, als wäre sie noch real.
Auch die Epigenetik bestätigt: Was wir nicht heilen, geben wir weiter – nicht nur energetisch, sondern auch biologisch. Unsere Zellen erinnern sich an das, was einst gefährlich war. Die Epigenetik erforscht, wie Erfahrungen, Emotionen und Traumata Spuren in unseren Genen hinterlassen können, ohne die DNA selbst zu verändern. So lässt sich erklären, warum die Erinnerungen an Angst, Kontrolle und Unterdrückung aus der Zeit der Hexenverfolgungen noch heute in uns nachwirken.
Über Jahrhunderte haben Frauen gelernt, dass Sichtbarkeit gefährlich ist. Dass Anpassung Sicherheit bedeutet. Dass es besser ist, leise, freundlich, vernünftig und unauffällig zu sein, statt aufzufallen oder anzuecken.
Diese Programme wirken bis heute fort. In unserer Sprache, unserer Erziehung, unseren kulturellen Werten.
In Sätzen wie:
„Mach dich nicht lächerlich.“
„Bleib bescheiden, übertreibe mal nicht.“
„Was sollen die anderen von dir denken, wenn du dich so zeigst?“
„Du bist viel zu emotional, zu sensibel, zu dies, zu das.“
So wundert es doch nicht, dass viele Frauen ein diffuses Unbehagen spüren, wenn sie beginnen, sich zu zeigen, Raum einzunehmen oder Grenzen zu setzen. Nicht, weil sie all das nicht können, sondern weil ihr System Authentizität und "für sich selbst einzustehen" noch immer mit Gefahr gleichsetzt.
Wie sich die Hexenwunde heute zeigen kann
Du spürst sie, wenn du zögerst, deine Wahrheit auszusprechen, obwohl du sie kennst. Wenn du dich zurückhältst, obwohl du spürst, dass du bereit wärst. Wenn du Angst hast, für deine Meinung verurteilt oder „zu viel“ zu sein. Wenn du dich klein machst, bevor es jemand anderes tun könnte.
Diese Reaktionen sind keine persönlichen Schwächen, sondern Schutzmechanismen deines Systems. Das Nervensystem erinnert sich an eine Zeit, in der es gefährlich war, du selbst zu sein. Deshalb geraten so viele Frauen in Selbstsabotage, Zweifel oder Überforderung, wenn sie beginnen, sich zu entfalten.
Ihr System hält sie zurück – aber nicht, um sie zu bremsen, sondern, um sie zu schützen. Wenn es dir auch so geht, dann darfst du in diesem Moment deinem Schutzmechanismus einmal danken, denn er tut nur seine Arbeit.
Die Hexenwunde zeigt sich zudem als körperliche Reaktionen – zum Beispiel als Herzklopfen, wenn du etwas Neues wagst. Als endlose Gedankenschleifen, ob du es „richtig“ machst und ob das, was du tust und wer du bist, gut genug ist. Sie zeigt sich aber auch als unterschwelliges Gefühl, dass da mehr in dir ist, das aber nicht wirklich gelebt werden darf.
Das ist keine Einbildung und du übertreibst auch nicht, wenn du diese Dinge empfindet. Es ist eine Erinnerung. Und genau deshalb ist es nun Zeit, dass du dir und deinem System bewusst machst, dass dir nichts mehr passieren kann - dass du nicht in Lebensgefahr bist, wenn du dich zeigst, wie du bist.
Rückverbindung – der Weg zurück zu dir
Heilung geschieht durch Erinnerung. Durch das Wiederfinden dessen, was einst als gefährlich galt: deiner Intuition, deines Körperwissens, deiner Stimme, deiner Essenz. Indem du lernst, dich sicher zu fühlen in deiner Kraft.
Rückverbindung bedeutet, das Vertrauen wieder aufzubauen. In dich selbst, in das Leben, in andere.
Diese Rückverbindung ist keine schnelle Transformation. Sie ist ein Prozess. Ein “Zurückkehren” in das, was du in Wahrheit nie verloren hast, sondern nur vergessen: deine innere Wahrheit.
Und genau hier beginnt der Weg von AURA – der Weg der Rückverbindung. Es geht nicht um Heilung einer alten Wunde im engeren Sinne, denn sie geschieht ohnehin, wenn du beginnst, dich zu erinnern. Es geht vielmehr darum, den Kontakt zu dir selbst wiederherzustellen:
Zu deiner inneren Wahrheit.
Zu deinem eigenen Rhythmus.
Zu deiner authentischen Energie, jenseits von Angst und Anpassung.
Wenn du dich wieder mit dieser inneren Quelle verbindest, endet die Zeit des Versteckens. Du beginnst, dich sicher zu fühlen in deiner Wahrheit.
Und das ist die eigentliche Rückkehr.